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Selbstverteidigung mit Karate

25.05.2019 - 26.05.2019

Leitung: Sensei Christian Lind



Am 25. und 26. Mai trafen sich etwa 20 Karateka unterschiedlichster Stufen in Bensheim um unter der Leitung von Sensei Christian Lind das Thema Selbstverteidigung im Karate zu beleuchten. SELBSTVERTEIDIGUNG, was ein bedeutendes Wort. Eine hochspekulative Angelegenheit, da bei uns trotz aller schlechter Nachrichten ein realer Fall äußerst selten eintritt und wir damit nicht aus einem „reichen“ Erfahrungsschatz schöpfen können. Es ist klar, dass wir an einem Wochenende niemals die Tiefe des ganzen Themas ausloten können, ganz egal von welcher Seite wir uns nähern. Genau darauf war ich gespannt, als ich die Anmeldung abschickte, von welcher Seite sich Sensei Christian Lind dem Thema nähern wollte. In der Seminarausschreibung ist zu lesen: "Eigentlich Schade" denke ich mir bei der Titelwahl dieses Seminars. „Warum muss man es eigentlich extra benennen wenn man Selbstverteidigung macht. Ist das nicht immer im Karatetraining dabei?“



Damit bringt Sensei Lind ein, wenn nicht das große Dilemma auf den Punkt, mit dem sich alle Karateka auseinandersetzen müssen, die von sich behaupten „Ich trainiere eine Methode der Selbstverteidigung“. Kritiker für diese Feststellung (Karate als Methode der SV) gibt es unzählige. Die einen stören sich am technischen Grundgerüst, im Karate KIHON genannt, das scheinbar unsinnige und kaum anwendbare Bewegungen zum Thema hat. Hinzu kommt die Übung der KATA, einer scheinbar völlig nutzlosen Zusammenstellung von wahllosen Technikkombinationen. Andere stören sich an mangelnden taktischen Verfahren im Karate. Viel zu viele komplizierte Techniken durch fehlenden Kontakt in falscher Distanz und mit fehlender Deckung geübt. Dazu in den festgelegten Übungen oft ein einzelner Angriff mit einem Schritt ausgeführt. Wer greift so an? Und schließlich wie greift jemand an? Was hilft ein abgesprochenes Kumite um einen extremst aggressiven brutalen Angriff mit geringst möglichem Schaden zu überstehen? Alles nutzlos sagen jene Kritiker, die möglichst reale Bedrohungsszenarien mit Druck und Stress als einzig probates Mittel im Selbstverteidigungstraining akzeptieren.



Das Karate, auf das sich diese Kritik bezieht, ist vor allem jenes, dass sich ab den 60er Jahren von Japan aus weltweit verbreitet hat. Seither haben sich viele fähige Lehrer mit historischen, vergleichenden und funktionalen Untersuchungen dem Thema angenommen. Gerade im deutschsprachigen Raum war es der verstorbene Sensei Werner Lind, der Pionierarbeit leistete und (im Karate) in Vergessenheit geratene Verfahren (Klebende Hände, Werfen, Hebeln, Würgen, etc.) wieder in die Übung integrierte und die Systematik der Entwicklung von der Körper- und Geistarbeit im KIHON hin zur Fähigkeit im freien Kampf neu formulierte.



Und genau hier knüpfte Sensei Christian Lind mit seinem Seminarthema an. Die Arbeit an Körper- und Bewegungsprinzipien setzte er als gegeben voraus und konfrontierte uns mit Situationen eines unvermittelten Angriffs aus unterschiedlichen Distanzen. Schnell konnten wir so am eigenen Leib erfahren, wo noch welche Reaktionen möglich sind, welche Waffen wo zur Gefahr werden (Hand, Faust, Kopf, etc.) und wann wir selbst die Initiative ergreifen müssen um unvermeidlichen Schaden abzuwenden. Danach begann der Angreifer damit, unseren Körper mit dem Ziel zu manipulieren, in eine überlegenere Position für weitere Angriffe zu kommen. So gezogen, geschubst, gedrückt und geklammert wurde es erheblich schwerer auf nachfolgende Aktionen zu reagieren, während wir noch damit beschäftigt waren, das Gleichgewicht wieder zu finden und uns zu orientieren, von wo der Angriff nun kommt. Weiter wurde uns die Situation erschwert, in dem wir auf dem Boden lagen, ein weiterer Angreifer hinzukam, Waffen benutzt wurden oder Unklarheit herrschte aus welcher Richtung mit welcher Art der nächste Angriff kam.


Sensei Christian Lind leitete daraus die These ab, das Selbstverteidigung immer CHAOS ist. Oder um es mit den Worten von Jackie Chan auszudrücken, der auf die Frage ob er sich den gut verteidigen könne antwortet: „Nein, im Film zeige ich schöne tolle Techniken, aber Selbstverteidigung ist BUMM, BUMM, BÄNG!“ Es liegt nun an uns, das Chaos soweit zu beherrschen, dass uns nichts schlimmes passiert.