26.10.2024
Meine letzte Kyu-Prüfung
In Erkenntnis der Notwendigkeit des intensiven Übens für die Kyu-Prüfung – besonders für uns, gegeben durch die Entfernung und das „Nicht-so-oft-im-Honbu-Dojo-sein“ – sind Bernd und ich schon am Mittwoch angereist.
Beim regulären Abendtraining stand bereits die Prüfungsvorbereitung im Vordergrund, wobei wir uns jederzeit bei Fragen an Matthias wenden konnten, dafür vielen Dank.
Trotz des verstärkten wochenlangen Übens hatte ich ein anhaltend mulmiges Gefühl. Eine Mischung aus einerseits „Ich habe seit Beginn des Jahres ansteigend geübt, viel Zeit im Dojo verbracht, um Verständnis bei der Familie gebeten.“ und andererseits das latente Gefühl, immer noch nicht ausreichend vorbereitet zu sein.
Doch wir sind ja freiwillig hier um uns prüfen zu lassen und um auf dem Karate-Weg voranzukommen. Langes Üben und dessen Fortschritte dürfen und sollen auch nach außen hin durch eine andere Gürtelfarbe sichtbar werden.
Dann der Donnerstag, nur noch wenige Übungsstunden von unserer Prüfung entfernt. Die Anspannung steigt, verstärkt durch das schon vorhandene Gefühl einer gewissen Unzulänglichkeit.
Verbesserungen werden geübt und einige neue, wenn auch nicht zu große Inhalte kommen hinzu, was die Sache nicht einfacher macht.
Einige Zuschauer haben sich am Freitag zur Dan-Prüfung versammelt und eine überraschend hohe Teilnehmerzahl wartete darauf, geprüft zu werden. Auch Bernd und ich sind gespannt, was auf dieser Prüfungsetappe gezeigt wird und wie die Prüflinge mit den Herausforderungen, die eine solche anspruchsvolle Aufgabe mit sich bringt, umgehen. Und auch durchaus für mich wichtig, was ich daraus für den nächsten Tag mitnehmen kann.
Zu vierzehn Uhr haben wir Sebastian vom Bahnhof abgeholt. Er hatte neun Stunden Zugreise hinter sich, um uns bei den bevorstehenden Dingen zu unterstützen. Danke dafür und zusätzlich auch herzlichen Dank für deine Zeit, Geduld, Unterstützung und Führung auf dem Weg zum 1. Kyu.
Meine Familie verbringt die Herbstferien ohne mich, um mir Freiraum zu geben und unser Jubiläum fällt auch in diese Zeit. Es bedeutet mir wirklich viel, dass ich die Möglichkeit die Zeit und das Verständnis bekommen habe. Und auch an dieser Stelle ebenso herzlichen Dank an Bernd für die unzähligen Stunden des gemeinsamen Übens, des Beobachtens, Korrigierens und gegenseitigen Unterstützens.
Viele der gezeigten Übungen sind bekannt. Überraschenderweise gibt es umfangreiche Veränderungen bei der Anwendung der Heian Katas.
Spannung, Aufregung, Konzentration, Eifer, Schweiß, Adrenalin, Mut, Nervosität, Motivation – all diese Dinge lagen in der Luft. Es waren großartige Leistungen zu sehen.
Zum Abendessen war jegliche Anspannung aus den Gesichtern der Prüfungsteilnehmer gewichen, um der Erleichterung und dem Frohsinn Platz zu machen. Heitere und ausgelassene Gespräche drangen an mein Ohr. In der Ecke des Clubraumes tropften jedoch diese Dinge an mir ab, denn in wenigen Stunden werde ich vor der Kommission stehen.
Sonnabend vierzehn Uhr, ohne damit gerechnet zu haben, spürte ich diese zermürbende Aufregung nicht mehr vorrangig. Sie war noch da, jedoch übertüncht mit einem unerwarteten Gleichmut, der sich mit ihr vermengte und fast als Apathie zu beschreiben wäre.
In der Prüfung bestaunte ich einerseits mich selbst – so ein bisschen wie von außen betrachtet –, wie souverän mir einige Dinge von der Hand gingen, andererseits – etwas enttäuschend – funktionierten andere Dinge viel weniger gut als erwartet. Ich stellte auch fest, dass der theoretische Hintergrund nicht vernachlässigt werden sollte.
Das von mir durchlaufene und dem Ende zugehende Prüfungsprogramm gab mir weitere Sicherheit. Vielleicht auch ein bisschen zu viel, was mich zu einem etwas zu kecken Verhalten hinreißen ließ ...
Nun, ich habe mein Bestes gegeben, nachträglich würde ich allerdings dieses oder jenes ganz bestimmt besser machen.
Diejenigen, die unseren Weg bereits beschritten haben, mögen mutmaßlich milde auf meine Gefühlslage schauen und die, die diesen Weg noch gehen werden, womöglich mit ein wenig Respekt. Aber was heute noch als große Hürde erscheint, wandelt sich im Laufe der Zeit zu einer Aufgabe. Durch das Gehen in kleinen Schritten wird der mühevolle Weg nicht nur erträglich, sondern auch schaffbar.
Ronald aus Cottbus
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